Kinder-Thesen für eine bessere Gesellschaft

Dass Martin Luther am 31.10.1517 seine 95 Thesen an die Holztür der Kirche in Wittenberg gehämmert und damit eine gewaltige Reformation ausgelöst hatte, wusste so gut wie jedes Kind, das mit seiner Klasse am 07.11.25 den „Luthertag“ in der Emmausgemeinde besuchte.

Seit etlichen Jahren organisieren Fridtjof-Nansen-Schule und Emmauskirche im Kleiberweg den Reformationstag für alle vierten Klassen in Form eines Luthertages. In diesem Jahr fand die Veranstaltung aufgrund der Herbstferien erst am 7. November statt.

Erwartet und begrüßt wurden die Schüler und Schülerinnen der sieben Klassen, die nacheinander zu insgesamt drei Veranstaltungen kamen, von Verena Fitz, früher Pastorin der Emmauskirche, jetzt Fortbildnerin für Lehramtsstudierende im Fach Religion.

Sogleich wurde sie von Hanne (Natalie Bade), der Magd im Hause Luther, unterbrochen, die zu Tisch bat. Die Freunde und Weggefährten des berühmten Theologen und Reformators Martin Luther nahmen an der großen Tafel Platz: Philipp Melanchthon (Jochem Westhoff), Andreas Karlstadt und Katharina von Bora (Maren Schamp-Wiebe), seine Ehefrau.

Karlstadt und vier Studiosus wurden von Lehramtstudent*innen gespielt und machten das Theaterstück noch lebendiger. Das Bier wurde eingeschenkt und es sollte gerade gegessen werden, als Martin Luther (Verena Fitz) aufgeregt mit einem Hammer in der Hand in den Saal stürmte und von seiner ungeheuerlichen Tat erzählte: dem Anschlag der 95 Thesen, in denen er Gottesdienste auf Deutsch angemahnt, gegen den Ablasshandel gewettert und Gerechtigkeit für die Armen gefordert hatte.

Alle Kinder und auch die Lehrerinnen waren sofort „drin“ in der Geschichte und schauten gebannt zu. Als sie dann noch mittelalterlich gekleidet und mit einem Backstein (für das Schwere der Zeit) ausgestattet wurden, begann ihre Reise durch die Reformation.

In Gruppen zogen sie von Station zu Station und erlebten mit Hand und Herz, wie Kinder im Mittelalter gelebt hatten und warum die Reformation notwendig gewesen war.

In der Schreibstube übersetzten sie einen Bibelvers vom Hebräischen ins Deutsche und versuchten, diesen mit Feder und Tinte leserlich zu notieren. Im Keller lauschten sie der spannenden Geschichte vom Gewitter, in dem Martin Luther im Falle des Überlebens Gott geschworen hatte, ins Kloster zu gehen. In der Dunkelheit bei Kerzenschein dachten die Schüler und Schülerinnen über eigene Grenzerfahrungen und die Kraft des Gebets nach. An der dritten Station wartete schon Johann Tetzel (Anne Appel-Bielefeldt) und versuchte, sie zum Kauf eines Ablassbriefes zu überreden. Hanne jedoch zeigte ihnen auf, wofür sie ihre Taler eigentlich dringend benötigten (Holz, Essen, Trinken, Medizin, Schulgeld). Die Jungen und Mädchen wogen ab und entschieden sich dann für oder gegen den Kauf eines Ablassbriefes, der ihnen angeblich einen Platz im Himmel zusichern würde.

An der vierten Station schrieben alle Schülerinnen und Schüler eigene Thesen auf, die sie anschließend an die Holztür hämmerten und damit sichtbar machten. Welche Probleme gab und gibt es und was brauchen Kinder? „Jedes Kind soll Essen und Trinken haben und ein sicheres Zuhause!“ forderte das eine Kind. Ein anderes schrieb: „Kein Mensch kommt ins Fegefeuer. Gott hat jeden lieb!“. Und ein Schüler machte sich Gedanken über die Ungerechtigkeit in der Welt heute: „Es ist unfair, dass Menschen gezwungen werden, dass sie in den Krieg müssen, dass Kinder arbeiten müssen, und dass manche Kinder geschlagen werden!“.

Als die Zeitwächterin Barbara Peters zum letzten Mal die Glocke für den Stationswechsel läutete, versammelten sich alle Gruppen wieder im Gemeindesaal, wo Luther und seine Tischgesellschaft die Kinder empfingen. Gemeinsam wurde das Luther-Wappen gepuzzelt und erklärt, das Schwere im Leben in den Stein gedrückt und abgelegt, bevor die Kinder ihre Umhänge auszogen und zurück in die Neuzeit kehrten. Fröhlich verabschiedeten sich die Schüler und Schülerinnen, erfüllt von vielen Eindrücken und Impulsen, dem Wunsch nach einer besseren Welt und reformatorischen Gedanken.

Maren Schamp-Wiebe